Viele reden von Blockchain und wie diese Technologie unsere Geschäftswelt, unsere Firmen und unsere Wirtschaft revolutionieren wird. Wird sie das?
Es verstehen immer mehr Menschen die Basics, wie Blockchain, diese „E-Mail für Wertgegenstände“ funktioniert. Wer wie ich Firmen in eine erfolgreiche digitale Zukunft führt, muss sich zwangsläufig fragen, was Blockchain heute, in 5 Jahren, in 10 Jahren und in 20 Jahren bedeuten wird. Starten wir aber mit den Grundlagen, denn konzeptionell lässt sich Blockchain wunderbar einfach erklären.
Was hat Blockchain mit Schneckenpost und E-Mail zu tun?
Ich finde den Vergleich von Blockchain zu E-Mail sehr hilfreich: Wir hatten die traditionelle Briefpost, Telegramme, Faxe. Alles Kanäle, um Text-Inhalte von A nach B zu bringen. Dazu benötigten wir eine Infrastruktur. Für die Schneckenpost brauchen wir die Poststelle, den Briefkasten der Bundespost, die Briefmarke, die Sortier- und Versandstellen der Post, die LKWs der Post, den Briefträger, unseren eigenen Briefkasten und was sich sonst noch alles hinter diesem kleinen, eigentlich einfachen Prozess verbirgt. Das Ganze kostet Geld und benötigt viel Zeit. Früher noch mehr als heute.
Dank der Technologie verteilter Rechner (Distributed Computer Technologie) und TCP/IP (transmission control protocol/internet protokol) aus dem Jahr 1972 wurde E-Mail möglich. E-Mail wurde lange Zeit nur in geschlossenen Kreisen unter Forschern und Entwicklern genutzt, war aber von Anfang an ein offenes Netzwerk ohne eine zentrale Autorität oder Institution, die für ihr Funktionieren verantwortlich war. E-Mail war und ist eine Digitalisierung der Schneckenpost, die schriftliche Kommunikation sehr schnell, grenzüberschreitend und ohne zusätzliche transaktionsbasierte Kosten möglich machte. Der eine oder andere meiner Altersklasse mag sich Ende der 80ern gefragt haben, wann die „Kosten pro E-Mail“ eingeführt werden. Diese Frage war damals gar nicht so abwegig.
E-Mail war also Postversand ohne Bundespost als zentrale Institution, ohne physische Infrastruktur, ohne Briefmarke als Bezahlmedium und ohne Zeitverlust abhängig von Distanzen und Zwischenstationen.
Genau so revolutionär dürfen wir uns den Geldversand, die Darlehensvergabe, den Haus- oder Grundstückskauf, die neue Haftpflichtversicherung der Zukunft mit Hilfe der Blockchain Technologie vorstellen. Die Technologie, die E-Mail bzw. genauer das Internet in den 80er Jahren ermöglicht hat heißt TCP/IP. Die Technologie, die die neue Form von „Wert-Transaktion“ ermöglichen wird heißt Blockchain.
In einem Artikel der Januar-Februar 2017 Ausgabe der Harvard Business Review mit dem Titel „The Truth About Blockchain“ beschreiben Marco Iansiti und Karim Lakhani den Weg, den Blockchain und seine Anwendungen nehmen kann. Erste Anwendungen vergleichbarer Technologien wie TCP/IP waren Einzelanwendungen, begrenzt im Anwendungsfeld und in ihrer Reichweite um dann im Verlauf von über 20 Jahren dort anzukommen, wo signifikante Produktivitätsverbesserungen auf breiter Anwendungsbasis möglich wurden. Heute basiert über die Hälfte der größten börsengehandelter Firmen auf dieser TCP/IP Technologie. Das heißt, diese Technologie hat die Grundlage unserer Wirtschaft komplett verändert. Das wird auch bei Blockchain nicht kurzfristig morgen oder übermorgen geschehen. Wie bei TCP/IP und E-Mail wird es vielleicht Jahrzehnte dauern, bis die wirklich große Wirtschaftstransformation stattfindet.
Uns sind heute große Veränderungen durch die Digitalisierung vertrauter als Ende des letzten Jahrhunderts. Das wird uns helfen, Anwendungen der Blockchain Technologie schneller zu akzeptieren als es noch bei TCP/IP der Fall war. Daneben ist die Akzeptanz eine Frage der Komplexität des Ökosystems, das für die neuen, Mehrwert schaffenden Anwendungen notwendig ist. Anders ausgedrückt: es geht um die Anzahl und Vielfalt der Partner, deren Zusammenspiel einen Mehrwert durch Blockchain Technologie möglich machen wird. Wie komplex wird dieses System sein und welche Verhinderer werden das Spielfeld betreten?
Schon heute nutzen Firmen die Blockchain Technologie, um den Weg von Gegenstände in komplexen Supply Chains zu verfolgen. Die Anwendungen mit dem größten direkten Veränderungspotential sind vermutlich „Smart Contracts“. Ein „Smart Contract“ ist laut Gabler Wirtschaftslexikon ein „elektronischer Vertrag, der hinterlegte Regeln automatisch überwacht und definierte Aktionen bei Vorliegen eines Trigger-Events selbsttätig ausführen kann.“ So kann z.B. die Zahlung für Güter automatisch ausgelöst werden, sobald diese per GPS-Sensorik an einem vereinbarten Ort lokalisiert werden. Mit diesen selbstauslösenden Vertragsformen wird bereits im Venture Funding, im Bankenwesen und im digitalen Rechtemanagement experimentiert.
Dass Blockchain Einfluss auf unsere gesamte Geschäftswelt haben wird ist keine Frage. Die Frage lautet: wann ist es soweit?
Wir müssen heute die Chancen nutzen mit Blockchain und seinem Kundennutzen zu experimentieren. Nicht in großen, multi-Millionen Projekten sondern in vielen kleinen experimentellen, kundennahen Projekten die uns auf breiter, vielfältiger Basis dem echten Mehrwert der Blockchain Technologie näher bringt.
Bis zum nächsten Mal, Ute